Bergfunk Open Air auf dem Funkerberg, Königs Wusterhausen

Ein ganz besonders chilliges Konzert wartete an diesen sonnigen Freitag auf mich. Als ich zur Geländeöffnung um 17 Uhr am Einlass auftauchte, war ich doch tatsächlich die einzig anwesende Person und auch im Folgenden zeigte sich das Publikum als ein sehr gelassenes, dass bis zur Mitte von Ennos Set den Abend vor der Bühne hockend genoß. Erst seine Aufforderung, dass sich der nächste Song auch super im Stehen anhören lasse, brachte Bewegung in die Masse, relaxt blieb es jedoch bei diesem kleinen, aber feinen Festival bis zum Schluss.

 

Aber fangen wir vorne an:

Mit Klängen von Depeche Mode begann der Abend auf dem historischen Funkerberg, wo vor knapp 95 Jahren der deutsche Rundfunk seine Geburtsstunde hatte, etwas überraschend. Das lag daran, dass der erste Act des Festivals das Cover-Duo Irgend & Jemand war. Sie präsentierten dabei überwiegend Sachen aus den 80ern und eben nix einiges, sodass ich mich kurz fasse.

Die beiden Männer machten es durchaus ordentlich, zu Songs wie "Personal Jesus" passte die Sängerstimme zudem sehr gut. Überhaupt war es ein spannendes Set mit u.a. "Rebel Yell", dem englischen Original von "Conny Kramer" (was mich sehr freute) oder die durch die Reduktion auf Gesang und Gitarre interessante Version von "Alkohol". Hätte also weitaus schlimmer kommen können, auch wenn ich ne Covertruppe auf dem Festival nicht erwartet hätte.

 

Ein Stück weit überraschend war auch, was die Leipziger Talking to Turtles nachfolgend anboten. Der Singer-Songwriter-Folkstyle wurde mit vielen elektronischen Einflüssen aufgepeppt. Eigentlich ja gar nicht so mein Musikstil, insgesamt ergänzte sich das aber gut mit Gitarre und Gesang und lieferte vor allem gute Grundlagenbeats, die die oftmals erdrückende Melancholie überstrahlte.

So war denn auch ihr Auftritt recht kurzweilig und gut. Sprich man konnte dem gut lauschen, trotz dessen fehlte aber irgendwie etwas eigene Würze.

Dank der guten Melodien aber weit weg von einem Totalausfall und die beiden Topacts mussten ja auch die Chance haben das bisher gebotene zu toppen :)

 

Als erstes versuchte sich also Enno Bunger mit seiner teils neuen (aber wohl heute nicht vollständig anwesenden) Band daran den Abend auf ein höheres musikalisches Niveau zu bringen. Wie schon beim halb so langen Set am vergangenen Mittwoch wurde dazu erneut ein Mix aus den Alben #2 und #3 kredenzt. Etwas verwundern darf es einen dabei schon, dass das Erstlingswerk mit so wundervollen Stücken wie "Pass auf dich auf" und "Wahre Freundschaft" derzeit komplett totgeschwiegen wird.

Aber andererseits gab es stattdessen gleich 3 Premieren vom frischen Album für mich am Stück (2 Streifen, Heimlich und Nicht immer alles jetzt). 

Diese flashten mich textlich auf Anhieb zwar noch nicht so ganz (obgleich sie schöne Zeilen haben), zeigten aber vor allem, dass Enno insgesamt mehr in die tanzbare Ecke driftet. Das muss man nicht mögen, zeugten doch gerade die traurigen Balladen von textlicher Höchstqualität. Aber gelingt es ihm zur Tour einen ausgeglichenen Mix aus Traurigkeit und fröhlichen Abdancen zu finden, so könnte sich ein wundervolles Set ergeben.

So oder so ist zeigte "Heimlich", welches er selbst als mehr oder weniger textlich peinlich ankündigte, eine sehr hohe musikalische Qualität und könnte zu meinem Favoriten des neuen Albums mutieren. Weitere Highlights im Set waren "Regen" (schon allein wegen der dazu passenden stimmungsvollen Atmosphäre) sowie die beiden hinlänglich bekannten weiteren Albenvorboten "Scheitern" und "Neonlicht", die live einfach funktionieren.

Zur neuen (wohl noch nicht vollständigen) Bandbesetzung kann man sich ansonsten hingegen kein abschließendes Urteil erlauben. In den alten Nummern war die Gitarre quasi unhörbar, bei den neuen Songs aber fetzt sie durchaus (wobei das Gitarrenmodell am Mittwoch genialer klang).

Der Auftritt machte jedenfalls noch mehr Lust auf Album und Tour.


Nur wegen Enno wäre ich aber wohl nicht ein x-tes Mal in diesem Jahr Richtung Hauptstadt aufgebrochen (insbesondere wenn ich vorher geahnt hätte wie schrecklich die Rückfahrt wird), allerdings wurde mir auch der Headliner Dota und die Stadtpiraten ans Herz gelegt.

Und wie sich zeigen sollte völlig zurecht.

Zusammen mit ihrer Band erinnert die Berlinerin von der ersten Sekunde an die Helden rund um Judith Holofernes, nicht zuletzt dank ähnlicher Stimmfarbe. Dabei muss sich Dota hinter der prominenten Kollegin auch keinesfalls verstecken.

Nicht wenige Songs lebten von ihrem Wortwitz und das man sich selbst offenbar auch nicht ganz so ernst und wichtig nimmt. Musikalisch gab es ebenfalls nichts zu mäkeln und so wurde also im Wesentlichen tanzbare Gute-Laune-Musik dargeboten.

Textliches Highlight war aber mit Abstand der Titel "Erdenbewohner" vom kommenden Album, der sich mit der Flüchtlingsthematik auseinandersetzte.