Night of the Proms in der Barclaycard Arena, Hamburg

Mit der 3 vorne im Alter kann man ja auch mal ein bisschen Klassik hören oder so. Einen wilden Stilmix gab es jedenfalls zu Beginn des 2. Adventwochenendes bei der Night of the Proms zu bestaunen. Schon als Johannes Oerding als Gastmusiker angekündigt wurde, wurde ich hellhörig, als dann aber OMD vor wenigen Wochen das Line-Up komplett machten, war die Entscheidung für den Besuch dieses außergewöhnlichen Abends dann endgültig gefallen.

 

Kurz zum Aufbau des Eintrags: Ich hatte zunächst überlegt, meine Eindrücke von Künstler zu Künstler wiederzugeben, die Orientierung an der Setlist aber erschien mir doch logischer.

 

Schon der Einlass sollte sich als außergewöhnlich erweisen, wurden die Sicherheitsvorkehrungen doch erhöht nach den Eindrücken von Paris, sodass man kurzzeitig sogar darum zittern musste pünktlich auf seinem Platz zu sitzen.

Vorteil davon: Nur wenige Minuten nachdem ich meinen Platz eingenommen hatte, erschien auch schon das Sinfonieorchester Il Novecento auf der Bühne um zusammen mit Maria Mena und Scala den Abend mit "The Hanging Tree" aus der Panem-Trilogie zu eröffnen, allerdings für meine Ohren noch recht unspektakulär. Der Filmmusik folgte das erste Klassikstück mit Tschaikowskis Blumenwalzer aus "Der Nussknacker", bei dem das Orchester einen mal direkt vorführte, wie musikalisch stark es ist.

 

Maria Mena war dann auch der erste Gastmusiker, der sein kleines Set präsentieren durfte. Neben dem allseits bekannten "All This Time" (übrigens überraschend schwach in diesem Kontext) bestand es aus der aktuellen Single und "Just Hold Me", die beide deutlich besser im Orchesterarragement umgesetzt wurden. Maria's Stimme aber ist über jeden Zweifel erhaben und man bzw. ich höre ihr einfach sehr gerne zu. 

Sehr niedlich war auch, dass sie (die laut eigener Aussage nur wenige deutsche Worte kann) das Publikum mit einem akzentfreien "Hamburg - meine Perle" begrüßte, womit sie das Publikum natürlich direkt auf ihre Seite zog.

 

Nach den ersten Popstücken ging es zurück zur Klassik, genauer gesagt zum ersten Auftritt des Klassik-Solisten. Es gibt nicht viele Stücke aus diesem Genre, die mir zusagen, aber spätestens seit Paul Potts kann man ohne Umschweife zugeben, dass "Nessum Dorma" schon ne ziemlich große Nummer ist über dessen Auftauchen in der Setlist ich mich auch sehr freute. Der Tenor Francesco Varela sorgte mit einem starken Vortrag für den ersten Gänsehautmoment des Abends. Beeindruckend (wenn auch für Tenöre nicht ungewöhnlich) fand ich es zudem, dass er auch ohne Mikrofon locker bis in den Oberrang vordringt. 

Sein später folgendes Duett mit einer der Backgroundsängerinnen war dagegen nicht so meins.

 

Der nächste Genre-Wechsel stand an mit dem Auftritt von Scala & The Kolacny Brothersdie jedoch eine durchschnittliche Performance boten. Der erste Titel mit seinem Techno-/Dance-Anteil wirkte dazu einfach völlig fehl am Platze, während hingegen die Darbietung von U2s "With or Without You" zum nächsten Gänsehautmoment führte, zudem auch die passende Atmosphäre in der Halle beitrug. Den Song haben sie jedenfalls unfassbar gut in ihren Style umgemodelt.

 

Es folgten - zunächst mit jeweils nur einem Titel - zwei Männer, die beide schon zusammen mit Joe Cocker auf Tour waren. Zunächst Mr. Proms (also John Miles höchstpersönlich), welcher einer Tradition zu Folge einen aktuellen Popsong coverte. In diesem Jahr handelte es sich dabei um "Wrecking Ball". Auch dazu bleibt einem nur die Feststellung, dass die Version sehr stark war (besonders die orchestralen Parts im Refrain). 

Und dann gab es den Auftakt des Heimspiels für Johannes Oerding mit "Alles brennt", welches ebenfalls gut mit Orchester harmonierte. Allerdings bin ich der Meinung, dass es sicher geeignetere Stücke für diese Zusammenkunft aus Pop und Klassik in seinem Repertoire gibt.

 

Anschließend war wieder das Orchester instrumental gefordert mit einer Hommage an den verstorbenen Pierre Brice, sprich als weiterer Filmmusikpart des Abends wurde die Winnetou-Titelmelodie performt.

Die erste, sehr kurzweilige, Hälfte der Veranstaltung beschlossen dann die beiden Herren, auf die ich mich so freute. Und  Paul Humphreys und Andy McCluskey von OMD bestätigten diese Vorfreude mehr als eindrucksvoll.

Sie starteten mit ihrem Megahit "Maid of Orleans" (meistverkaufte Single in D 1982), welcher sowieso schon einer meiner absoluten Lieblingssongs der 80er ist und in diesem Arragement (welches ich im übrigen schon von der CD von dessen ersten Auftritt bei dem Proms kannte - live ist aber wie wir alle wissen ne ganz andere Hausnummer) noch so viel genialer rüberkommt. Schon ab den ersten Tönen herrschte endlich auch mal gute Stimmung in der Arena (zuvor war es doch merkwürdig ruhig).

Die Songs des sodann präsentierten Medleys waren ebenso gut gewählt (Talking Loud and Clear, Forever live and die und noch eins *G) und zusammen mit Orchester einfach nur klasse - deren NewWave passt aber irgendwie auch wie die Faust aufs Auge für die Zusammenarbeit mit Klassikeinflüssen. Für mich besonders war dieses Medley aber, weil es mit dem von mir so geliebten "Walking on the Milky Way" endete, welches ich nun endlich live erlebte (beim Konzert 2013 wurde es ausgelassen). 

Mit "Sailing On The Seven Seas" brannte die Bude dann richtig. Nun aber stand ausnahmslos jeder in der Halle und jubelte den Briten und dem Orchester vollkommen zurecht zu. Ein geniales Finale der ersten Proms-Hälfte.

Die Ankündigung im Programmheft, dass OMD im Herbst 2016 wieder auf Deutschland-Tour gehen, war dabei noch das Tüpfelchen auf dem I.


Nach der für meinen Geschmack etwas zu langen Pause (die man aber gut dazu nutzen konnten schonmal Gedanken für den Blog zu verfasen *g) durfte dann das Orchester zunächst wieder ohne Gesang seine Klasse beweisen, was sie erneut mit einem Werk von Tschaikowski taten. Die "Ouvertüre 1812" kann man im Übrigen auch kennen und war direkt wieder ein gelungener Startschuss in den 2. Part, der gesanglich dann vom 2. Auftritt von Johannes Oerding eröffnet wurde.

Für Teil 1 hatte ich die Songauswahl noch leicht kritisiert und Teil 2 sollte zeigen, dass es in der Tat bessere Songs für diese Zusammenkunft gibt. Vom Arragement her war "Traurig, aber wahr" (eine Nummer, die derweil gar nicht so bekannt ist und etwas überraschend im Set auftauchte) meines Erachtens das Highlight des Abends. Das Orchester konnte dabei alle seine Facetten zeigen und präsentierte sich im Big Band-Style, der diesem Track äußerst gut zu Gesicht stand. Heimat hingegen war fast schon eine logische Wahl als Finale und bot wenig Überraschungen. Nichtsdestotrotz ein würdiges Ende seines Parts.

 

Folgend durfte dann auch Tenor Francesco Varela noch ein finales Stück, genauer gesagt seine aktuelle Single "Vivere" präsentieren. Diese war unerwartet poppig, im Chorus brachte er jedoch auch wieder seine Klasse als Tenor zur Geltung. Diese Mischung machte den Song besonders und hörenswert.

Dann endlich folgte DER Song der Proms, eine der vielleicht schönsten Liebeserklärungen überhaupt an die Musik: "Music" von John Miles. Es war ein absoluter Traum diesen Song endlich mal live zu erleben und der nächste Gänsehautmoment.


Auf diesen Traum folgte jedoch der wohl unnötigste, wenngleich durchaus spannende Teil der diesjährigen Proms. Das Orchester hatte sich vorgenommen einige Dancenummern aus den Charts ein wenig in ihre Welt zu überführen, was von den Ansätzen durchaus gut war (vor allem bei Calvin Harris' "Summer"), aber ingesamt viel zu sehr von den Beats überlagert wurde. Bei den jüngeren Leuten im Publikum kam dieser Part dagegen recht gut an.

Der finale Solopart des Orchesters war dagegen wieder sehr cool. Im Stück "Comedians Galop No.2" werden diverse genrefremde Stücke eingebunden, die dann auf Xylophon vorgetragen werden. Konkret waren dies z.B. "Morgen kommt der Weihnachtsmann" und "Korobeiniki" (das ist übrigens die Tetris-Melodie - hätte ich vorher niemals gewusst, dass die Melodie ein 150 Jahre altes klassisches Stück ist).


Auch Scalas letzten Auftritt bewerte ich etwas zwiegespalten, was nicht nur daran lag, dass sie sich die im Vorjahr totgedudelte sogenannte WM-Hymne vom Bourani vornahmen. Handwerklich war das zwar gut gemacht und ne nette Abwechslung zum Original. Man merkte aber auch eindeutig wie leicht berechenbar und damit auf Dauer öde der Stil von Scala ist.


Der letzte Auftritt gebührte echten Pop-Legenden (u.a. Grammy-Gewinner): die legendären Beach Boys aus Kalifornien surften auf die Bühne. Diesen als Hauptact die längste Zeit des Abends zu überlassen fand ich im Vorfeld etwas schade, aber trotz teils schwacher Stimme und Texthängern, die man wohl vor allem aufs Alter zurückführen kann, lieferten die Amerikaner eine wirklich gute Show.

Zu meinem eigenen Erstaunen kannte ich sogar alle 8 Songs, noch erstaunlicher jedoch fand ich wie ausnahmslos diese Songs im Orchesterarragement funktionierten (vor allem "I Get Around").

Da ich einen leichten Faible für englischsprachige Musik der 60er habe, habe ich diesen Auftritt jedenfalls genossen und bin sehr froh diese Band live erlebt und einige dieser Klassiker live gehört zu haben.

Das Grande Finale mit allen Künstlern auf der Bühne war hingegen leider etwas enttäuschend, "Good Vibrations" kamen da leider nicht ganz auf (insgesamt die Stimmung auch schwächer als bei OMD). Ich hätte mir als Finale wie früher üblich "Land of Hope and Glory" oder einen Beatles-Song gewünscht.


Trotz dieses etwas faden Endes bleibt aber die Erkenntnis, dass es ein wirklich toller, kurzweiliger Abend war, der gerade durch diese vielen verschiedenen Musikrichtungen und die Länge der Veranstaltung jeden Euro wert war. Ein schöner bunter Strauss Musik mit wenigen welken Nelken und vielen glänzenden Rosen.