Rio Reiser Songpreis auf dem Platz der Kulturen, Unna

An diesem Samstag - den 20. Todestag von Rio Reiser - hätte ich mich gerne mindestens dreiteilen wollen, letztlich zog es mich aber zum zweiten Mal zum Rio Reiser Songpreis nach Unna.

 

Den lokaen Preis gewann Kaiser Franz, der den langen Abend auch eröffnen sollte. Und es wurde direkt zu einem gutklassigen Auftakt mit gelungenen Texten und vor allem guten Gitarrenriffs sowie einer Leadstimme, die durchaus etwas an Rio erinnerte. Vor allem der Siegertitel "Träume aus Papier" gefiel von der textlichen Qualität. Mit den beiden Covern von Rio wurde jedoch gleichwohl deutlich, dass selbiger textmäßig noch eine Spur höher einzustufen ist. Nichtsdestotrotz waren die Cover gut umgesetzt und schön Rio-Songs an diesem Tag nicht nur in den Umbaupausen aus der Konserve zu hören.

 

Erstaunlicherweise sollte ich alle vier Ausser-Konkurrenz-Acts im Programm bereits kennen. Den Anfang von diesen machte TAIGA. Nach einem etwas schwächeren Beginn funktionierten auch die Osnabrücker selbst Open-Air wunderbar und die Songs gingen mit ihrem Grundgroove allesamt in die Beine. Besonders wenn neben den Gitarren noch Drums oder Synthies zu wichtigen Bestandteilen der Songs wurden, wurde die musikalische Qualität der Jungs deutlich erkennbar. Geile instrumentale Stellen konnten dann auch über die phasenweisen belanglosen Texte (wobei es auch da sehr schöne Zeilen gab) hinwegtrösten. Schade war es so oder so, dass die drei den kürzesten Auftritt des Abends haben sollten.

 

KUULT hatte ich erst vor 4 Wochen kennengelernt und kriegen deshalb hier auch nur relativ wenig Text. Auch der etwas längere Auftritt heute konnte überzeugen, zumal die mir noch unbekannten Balladen textlich sehr stark waren. Highlight war jedoch wieder "Kinder der 90er". Da KUULT zudem eine kleine Fanbase mitbrachte, herrschte nun auch endlich etwas Stimmung. Etwas nervig war hingegen, dass der Sänger gefühlt alle 60 Sekunden die Hände forderte.

Als kleines Zwischenspiel gab es nun zwei Songs eines "Ton Steine Scherben"-Mitglieds, vor allem stimmlich nicht erwähnenswert.

 

Es folgte der bundesweite Preisträger Norbert Buchmacher mit seinem Ensemble Non Grata. Natürlich kenne ich nicht die anderen Bewerber, aber von der ersten Sekunde an, war die Juryentscheidung nachvollzehbar. Eine gehörige Portion Rock wurde dazu mit sehr sehr guten Texten verknüpft. Gleich zu Beginn wurde der Siegertitel - passend zum Thema des diesjährigen Preises "Land in Sicht / Flüchtlingskrise" - dargeboten, aber auch Polizeigewalt (subtiler, aber dadurch umso stärkerer Text) als auch der Tod der Katze wurde in hochwertige Lyrics gegossen. Zudem gesellte sich eine schöne Stimme und guten Melodien zu den Texten. Ein absolut würdiger Preisträger und eine echte Entdeckung.

 

Nach dem bislang schon recht gelungenen Nachmittag/Abend folgten abschließend die beiden Acts, aufgrund dessen ich überhaupt die Reise aus Hamburg nach Westfalen antrat und damt ungefähr dieselbe Anreise hatte wie Tonbandgerät. Und spätetens jetzt war ich wieder voll im Konzertmodus, was nicht zuletzt an den Top-Openern "Lass die Dioden leuchten" und "Fehler in mir" (den ich textlich erst kürzlich wirklich schätzen lernte) lag. In der Folge wurde relativ routiniert ein knapp einstündiges Programm mit Hauptaugenmerk aufs aktuelle Album ab - 1-2 alte Songs vermisste ich dadurch schon. Aber endlich herrschte jetzt auch zumindest in den ersten Reihen ein angemessener Andrang und eine gute Stimmung, die dem  Festival ansonsten leider etwas abging.

Zu den kleinen Highlights im Set wurden für mich daher die gelungene, leichte Umarrangierung bei "Halbmond", dem neuen Intro bei "Auf drei" oder die Wunderkerzenaktion beim textlich wohl stärksten Song "Hirngespinster", bei der deutlich wurde, dass jede noch so eindrucksvolle Handylichter-Parade diese Atmosphäre nie wird schaffen können. Zum Ende hin gabs dann nochmal Stimmung pur mit "Irgendwie anders" und "Alles geht", bevor der "Superman" inmitten des Publikums das Set gelungen abrundeten.

 

Für das Finale ging es abschließend ins Cafe Schalander zu Duo-Show von von Brücken. Statt zu acht gab es diesmal Nicolas einzig vom Keyboard begleitet. Besonders gut funktionierte das natürilch bei den etwas ruhigeren Stücken wie "Gold gegen Blei" oder "Dann sammle ich Steine", die in diesen Versionen eine Mega-Gänsehaut machten, Nicolas grandiose Stimme gut wie selten in Chance setzten und auch die bereits auf dem Album erhaltenen Akustikversionen deutlich in Schach halten konnten.  Aber auch die flotteren/rockigeren Nummern funktionierten - mit der Ausnahme von "Blendgranaten", welches textlich sehr wichtig ist, aber in dem Gewand nicht so passt - erstaunlich gut. Von dieser kleiner Ausnahme, war es ein großartiges Set. Auch hier gab es übrigens mit "Immerhin" noch einen Highligt-Song, den ich im Vorfeld gar nicht so auffem Schirm hatte. Witzig war auch die "Bed of Roses"-Einlage.

Offenbar gefiel es auch den beiden richtig gut, denn wie im Nachhinein bekannt wurde, haben sie ihre Spielzeit glatt verdoppelt. In der Zugabe ging der eigene Stoff etwas aus, aber Damian Rice und Peter Gabriel stehen dem Duo auch sehr gut zu Gesicht.

 

Ein wirklich gelungenes und kurzweiliges Fest mit toller deutscher Musik, dass wie schon angedeutet, leider weiterhin zu wenig angenommen wird.