Deutscher Viererpack in 8 Tagen: Hamburg Sounds im NDR-Radiohaus, Hamburg (23.03.2017), Thees Uhlmann bei Calle, Cadenberge (24.03.2017), Philipp Poisel in der

Der Ärger über das selbst abgebrochene Gästelistenplatz-Konzert vor zwei Wochen war längst verflogen (über 50 min auf die (hier unerwähnte) Band warten wurde mir zu blöd), als ich nur wenige Tage später erneut als Gewinner gelost wurde, diesmal zur neusten Ausgabe der Hamburg Sounds mit zwei Liedermachern im besten Sinne. Den Anfang machte Frank Meyer, der gleich zu Beginn mit einem Antikriegssong seine textliche Qualität unter Beweis stellte. Mit wenigen Ausnahmen lebte dann auch sein komplettes Set von geschickter Wortwahl, oft durch spielerischen Umgang mit Sprichwörtern,oder einfach nur klugen Texten (beispielsweise gegen den Stierkampf). Waren zu Beginn manche Lieder erwartungsgemäß eher ruhig, stimmte zum Ende hin auch der Rhtyhmus mit deutlich erkennbaren französischen und spanischen Einflüssen. Und zu seinem Finale (der sehr tollen Track "Fasst euch ein Herz") wurde dann noch von zweiten Act des Abends begleitet, um den Übergang zu einer "Legende" zu knüpfen - Konstantin Wecker.

Selbiger konnte mich aber nicht vollends überzeugen. Ohne Frage macht Wecker sich viele richtige und wichtige Gedanken, sodass viele seiner alten Songs gegen Faschismus und Kapitalismus (leider) zeitlos geblieben sind und auch seine neueren Titel zu der Thematik nichts an textlicher Klasse verlieren. Solche Menschen, die jedem Shitstorm zum Trotz weiter klar zu Frieden und Willkommenskultur stehen, kann es nie genug geben. Subjektiv aber gefällt mir seine Art zu singen, die mehr einer Gedichtsvertonung gleicht, einfach nicht so wirklich.

Positiv ist jedoch noch hervorzuheben wie sympathisch und gewitzt er den kleinen Abriss quer durch seine Laufbahn präsentierte und dabei auch sehr peinliche - teils arg sexuelle - Titel ebenso wenig totschwieg wie seine zwischenzeitlichen Drogenprobleme. Auf der anderen Seite zeigten die Liebeslieder weit ab vom üblichen Schmalz auch dort seine Lyrikqualität.
Das Finale mit Bella Ciao -  begleitet von einem Afghanen -  in drei Sprachen war zudem besonders und ganz großes Kino.

Beide Künstler des Abends leben von ihren Texten und da diese auch mir sehr wichtig sind, war es - auch wenn mir Weckers Stil nicht ganz zusagte - ein  gelungener Auftakt in diese vollgepackte Konzertwoche.

Der nächste Abend führte mich ins tiefste Niedersachsen zu einem Benefizkonzert von Thees Uhlmann vor ähnlich erlesenen Publikum wie am Vorabend und vor allem mit einem Gefühl von Nach-Hause-kommen, fand das Konzert doch in einer Dorfscheune statt (mit Bierzeltstehtischen und Erdnüssen für lau *g). Etwas unerwartet gab es eine Vorband, namentlich die Hausband vom Calle. Die rieß naturgemäß keine Bäume aus, war aber durchaus hörbar - vor allem die mehrstimmigen Parts.


Nur noch eine Stimme gab es dann logischerweise bei Thees Solo-Gig. Über ihn und seine Konzerte habe ich im Laufe der Jahre hier schon so viel geschrieben, dass einem gar nicht mehr viel neues einfällt. Das Set jedenfalls ging gleich für meine Begriffe super los mit der schönen Solo-Version von "17 Worte". Thees führte ansonsten wieder äußerst witz- und anekdotenreich durch den Abend, war dabei aber offenkundig sehr nervös und hatte diverse Texthänger. Besonders wurde dieser Abend dann unter anderem noch weil zum ersten Mal seit Ewigkeiten "Der Fluss und das Meer" wieder im Set stand, etwas unerwartet zudem auch die tolle Nummer "Sommer in der Stadt". Und weil zum anderen mit "New York" auch noch ein mir unbekannter Tomte-Song dargeboten wurde. Allein dafür lohnte sich die Fahrt hierher schon. Selbiges gilt aber erst Recht für die unfassbare Stimmung bei "Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf", die manch großen Club im den Schatten stellen könnte. Der Abend neigte sich nun dem ende, das Hauptset abgeschlossen wurde derweil thematisch passend mit einem meiner Lieblingssongs "Lat: 53.7 Lon: 9.11667".

Die Zugabe hatte dann mit Musik von Kettcar (48 Stunden) noch eine wundervolle Überraschung parat, bevor ich mit den Klängen von "Das hier ist Fußball" nach einem klasse Abend euphorisiert zurück Richtung St.Pauli entlassen wurde.

Schon von der heimligen Atmosphäre war der Abend also ein voller Erfolg gewesen. Alles andere als heimlig drohte es am darauffolgenden Mittwoch werden, ging es doch nun zu meinem bestbesuchtesten Konzert des Jahres in die Barclaycard Arena. Ausgerechnet Philipp Poisel sollte diese bespielen, ob er reif ist für die große Bühne durfte zumindest im Vorfeld angezweifelt werden. Zunächst aber ein paar Worte zum Voract. Dabei handelte es sich um Valentina Mér, einer jungen Dame mit durchaus netter Stimme (grad in den lauteren Passagen). Die Songs zwar als Vorprogramm passend und auch hallentauglich, allerdings auch relativ eintönig - und somit auch schnell wieder vergessen.


Nach erfreulich kurzer Umbaupause ergriff dann Philipp Poisel für ebenso erfreuliche als auch erstaunliche 2,5 Stunden das Mikro. Und damit also zurück zur Ausgangsfrage: Gleich bei den ersten Stücken wurde deutlich, dass Philipp und Band die große Bühne können ("Mein Amerika" ist zum Beispiel wie gemacht als Arena-Opener), ohne aber dabei seine Wurzeln zu leugnen. So gab es gleich als dritten Track "Froh dabei zu sein" als Solonummer, gefolgt vom "Im Garten von Gettis" mit Florian Ostertag und der hochschwangeren Alin Coen, bevor mit "Roman" der textlich wohl schönste Song des neuen Albums folgte, welcher live zum Glück ebenfalls sehr gut funktioniert.

Neben den guten Texten, der klasse Band und dem sauber abgemischten Sound waren aber vor allem die viele Einfälle bezüglich des Bühnenbilds, die den Abend unvergessen machten. Erwähnt sei hier beispielhaft der "funktionsfähige" Leuchtturm, die Tetris-Melodie und Kostüme bei "Das erste Mal Nintendo", die Feuerfackeln bei "Bis ans Ende der Hölle" (dank Alin's Gesangspart zudem der Gänsehautmoment des Abends) und als bautechnisches Highlight der VW Transporter bei "San Francisco Nights". Dieser Song funktionierte live auch richtig gut, sodass auch endlich mal richtig Leben in die Bude kam (traurig wie wenig Stimmung selbst direkt bei mir am Stegende herrschte) und bildete mit "Ich will nur" (ohne das unsägliche Technooutro) ein klasse Ende des Hauptsets.

Auch vom Bühnenbild abgesehen hatte die Crew eine Menge zu leisten, wurde doch permanent zwischen Hauptbühne und Stegende gewechselt. Besonders am Stegende gelang es dann auch die bereits erwähnte alte Clubatmosphäre zu schaffen. Überhaupt erwies sich das Stegende als perfekter Platz für dieses Konzert - konnte man doch zum einen das komplette Bühnenbild genießen und zum anderen hatte man doch Philipp und Band für fast die Hälfte des Abends direkt vor der Nase.

Musikalisch hingegen gab es wenig Überraschungen - von ein paar Soli abgesehen bekamen lediglich "Zünde alle Feuer" (im coolen Nashville-Sound) und "Als gäbs kein Morgen mehr" mit einem (unnötigem, aber nicht schlechtem) dancepart neue Gewänder übergestriffen. Insgesamt gelingt der Mix aus neu und alt sowie laut und leise aber richtig gut, sodass der Abend sehr kurzweilig gestaltet wurde.

Vor allem im zweiten Zugabeblock hatte es aber leichte Längen (die dort präsentierten neuen Balladen wirkten dann doch etwas untauglich für solche Locations), was den Eindruck von einem klasse und so herrlich detailverliebten Abend für mich aber nur marginal trüben konnte. Für ein wirklich sehr gutes Konzert fehlte derweil aber die Mitsingfreude und Stimmung, diesbezüglich war die Halle für Philipp wohl doch zu groß.

Am Folgeabend ging es zum Abschluss des Viererpacks in eine der Logen der schicken Laeiszhalle. Heinz-Rudolf Kunze hatte zu seiner Meisterwerke-Tour geladen, um einen Mix aus seinen größten Hits und einiger Cover seiner Geburtstagsplatte zu präsentieren. Ob das covern für die Sänger der älteren Garde nötig ist, ist eine durchaus berechtigte Frage, nichtsdestotrotz ist das Album gelungen und enthält einige meiner All-Time-Favorites, entsprechend freute Ich mich auf dieses Set.

 

Und gleich zu Beginn wurde diese Freude bestätigt, begann der Abend doch mit "Zum Laichen und Sterben ziehn die Lachse den Fuchs hinauf" und "Deine Schuld". Kunze und Band schafften es live erst Recht die Songs zu ihren und teils sogar etwas rockiger zu machen. Getoppt wurde das erste Viertel aber für mich mit den sehr geschätzten eigenen Nummern "Eigene Wege" (erster Stimmungshöhepunkt) und "Leg nicht auf".
Nach der Hommage an Udo Jürgens bekam das Konzert aufgrund unbekannterer Stücke etwas Länge, bevor es aber mit einer sehr tollen (leicht shantymäßigen) Version von "Aller Herren Länder" vor der Sektpause noch ein echtes Highlight zu bieten hatte. Klasse war im übrigen auch der kleine satirische Anti-Trump-Text.

Die zweite Halbzeit begann mit "Wunderkinder" gleich wieder stark, bot meinen Lieblingssong der Toten Hosen (Alles aus Liebe) und hatte anders als Hälfte 1 auch keine echte Schwäche mehr, ganz im Gegenteil folgte im letzten Teil ein wahres Rockfeuerwerk - beginnend mit "Mit Leib und Seele" über "Dein ist mein ganzes Herz" (welches indoor extrem abging), "Finden Sie Mabel", "Ich steh auf Berlin", "Wenn du nicht wiederkommst" bis hin zu "Lola". Die Musikhalle kochte völlig zurecht.

Ein-Zwei Cover (vor allem "Solange man Träume noch leben kann") hätte ich mir zwar noch gewünscht, aber insgesamt macht man bei HRK auf keinen Fall was verkehrt und so wurde man einem klasse Konzertabend mit über 2,5 Std Musik vom feinsten und unerwartet vielen rockigen Momenten mit "Ich hab's versucht" dann doch eher selig heimgeschickt.